Das Feuer brennt weiter
Zum 75-jährigen Jubiläum des ersten olympischen Fackellaufes veranstalteten IMOS und OLYMSPORT in Hellendorf und Petrovice ein internationales Treffen mit vielen Höhepunkten
Von Rüdiger Fritz
Da musste selbst ,,Fackelmann“ Diethard Hensel passen. Tausende Details zum ersten olympischen Fackel-Staffellauf hat der IMOS-Geschäftsführer Diethard Hensel speziell zu dem Streckenabschnitt am 31. Juli 1936 durch seine sächsische Heimat zusammengetragen. Aber in einem wusste er aus dem Stegreif auch keine Antwort: Welche Temperatur herrschte an jenem Tag vor 75 Jahren, als die Fackel vom tschechoslowakischen Grenzort Petrovice / Peterswald um die Mittagszeit in Hellendorf auf deutschem Gebiet eintraf? Dennoch treffend seine Antwort: ,,Es war erheblich wärmeres Sommerwetter damals, vielleicht um fast 15 Grad. Wie auf den alten Postkarten und Fotos vom Eintreffen der Fackel in Hellendorf zu sehen ist, trugen die Läufer und viele Zuschauer kurze Kleidung und machten keinen Eindruck, als würden sie frieren.“ Der peitschende Dauerregen und mickrige acht bis neun Grad Tagestemperatur am letzten Juli-Wochenende 2011 konnte die stattliche internationale Gruppe der Olympia- und Sportsammler nicht verdrießen, die sich zum Dreivierteljahrhundert-Jubiläum an historischer Stätte versammelt hatte.
Die IMOS und ihre Schwesterorganisation OLYMSPORT aus Tschechien, beide durch ihre 1. Vorsitzenden Thomas Lippert und Jaroslav Petrasek in Hellendorf vertreten, führten gemeinsam Regie bei dem Treffen am 30. und 31. Juli. Über 40 Sammler aus Tschechien, der Slowakei, Großbritannien und Deutschland erschienen und erlebten ein hochinteressantes Programm. Diethard Hensel, durch seine langjährigen Forschungen für seinen viel beachteten Band über den internationalen olympischen Fackel-Staffellauf 1936 von Olympia nach Berlin mit einer großen Menge an Personen in Verbindung, sorgte für eine Gästeliste, die zu dem Ereignis nicht besser passen konnte. Dieter Goldammer, Sohn des ersten deutschen Fackelträgers Paul Goldammer, schilderte Eindrücke seines Vaters von dem Lauf. Mit Thomas Mathe war der Enkel des zweiten Fackelträgers, Johannes Fischer, gekommen. Herbert Weinrich, der Schöpfer des 1957enthüllten Gedenksteins für den Fackellauf, berichtete aus seiner Schaffenszeit als Steinbildhauer und den erstaunlichen Fakt, dass ausgerechnet die DDR-Sportführung, die sich im Umgang mit den Olympischen Spielen 1936 sehr schwer tat, den Bau des Olympia-Denkmals gestattet hatte. Und mit Dietmar Bräuer saß einer der beiden Zwillinge im Publikum, die am 31. Juli 1936 um 12 Uhr im Erblehngericht Hellendorf geboren wurden – genau eine Viertelstunde, nachdem die Flamme in Hellendorf eingetroffen war. Die Runde vernahm gern die Worte von Klaus Brähmig, Bundestagsabgeordneter des Landkreises Sächsische Schweiz und langjähriger Philatelist, dass er als Politiker und Sammler ähnliche Vorhaben der IMOS wie zum Jubiläum des Olympia-Fackellaufes unterstützen werde.
Filmaufnahmen vom 1936er Fackellauf und von der Einweihung des Olympiadenkmals 21 Jahre darauf stimmten in der Alten Schule Markesbach auf das Samstag-Programm ein. Thomas Lippert zog mit seinen Vortrag über die Bedeutung des ersten Fackellaufes bei Olympischen Spielen mit seinen tiefgründigen geschichtlichen und philatelistischen Kenntnissen die Zuhörer in den Bann. Den Weg des Feuers von Griechenland über Bulgarien, Jugoslawien, Ungarn, Österreich, die Tschechoslowakei in die deutsche Olympia-Veranstalterstadt Berlin skizzierte er mit teilweise neuen Fakten von Protestaktionen gegen den Fackellauf in Wien und Prag.
Der namhafte Berliner Journalist und Olympia- und Sporthistoriker Volker Kluge widmete sich in seinem Beitrag vier markanten Symbolen der Olympischen Spiele in Berlin: der Olympia-Glocke mit dem Reichsadler, der die olympischen Ringe in seinen Klauen hält, und der Inschrift ,,Ich rufe die Jugend der Welt“; der olympischen Flamme; der Olympia-Hymne, die von Richard Strauss komponiert worden war; der Eiche, mit der die Olympiasieger als handliche Pflanze geehrt worden waren. Dem Anlass des Treffens in Hellendorf gerecht werdend, beleuchtete er den ersten Olympia-Fackellauf aus einem anderen Blickwinkel. Er schilderte Aufstieg und Fall des Studenten Anatol Dobriansky, der nach dem Willen der umstrittenen Filmkünstlerin Leni Riefenstahl in deren Beitrag über den 3075 Kilometer langen Weg des Feuers von Olympia nach Berlin die Rolle des Griechen Konstantin Kondylis eingenommen hatte. Dieser war am 20. Juli 1936 nach dem Entzünden der olympischen Flamme im antiken Olympia der erste Fackelläufer überhaupt. Volker Kluge hat vieles recherchiert, das nur wenigen bekannt ist und das er nun zum Besten gab. Leni Riefenstahl hatte Anatol Dobriansky entdeckt, einen attraktiven und durchtrainierten jungen Mann, Sohn einer armen russischen Einwanderfamilie aus Odessa. Die Filmemacherin versprach ihm eine Schauspielkarriere, aus der bis auf einen unbedeutenden Streifen aber nichts wurde. Nach 1945 war Dobriansky, der in Deutschland als Staatenloser lebte, ein Vertreter für Strümpfe.
Begehrter Gesprächspartner war Herbert Weinrich. Wie er zu der Gedenkstein-Inschrift ,,An dieser Stelle übergaben Sportler der CSR 1936 die Olymp. Fackel auf ihrem Wege v. Athen n. Berlin den deutschen Sportlern“ gekommen sei und weshalb
er nicht Olympia anstelle von Athen als Ausgangsort des Fackellaufes in den Stein gemeißelt habe, wurde er gefragt. Die Antwort des vitalen 82-Jährigen war verblüffend einfach: ,,Da hat keiner daran gedacht, als die Inschrift festgelegt wurde. Mir ist das bis heute nicht aufgefallen.“ Die Lacher hatte er auf seiner Seite. Mit Interesse verfolgte Herbert Weinrich die Vorträge und Diskussionen zu den Olympischen Spielen 1936, speziell zum Fackellauf. ,,Es ist erstaunlich, was ihr Sammler alles über dieses Ereignis wisst und zusammengetragen habt“, äußerte er sich anerkennend.
Ein gemeinsamer Besuch des Gedenksteins für den Fackellauf gehörte selbstverständlich zum Programm. Bei strömendem Regen legten Thomas Lippert, Jaroslav Petrasek und Thomas Mutze, der Bürgermeister der Stadt Gottleuba, in die Hellendorf eingemeindet ist, ein Blumengebinde nieder.
Das Treffen fand auch philatelistische Würdigung. Das allen IMOS-Mitgliedern vorliegende Sonderheft zu dem Treffen, eine personalisierte Briefmarke mit der Abbildung der Olympia-Fackel, eine STAMPIT-Freimachung und mehrere Schmuckumschläge zeugen von einer Vielfalt, die beispielgebend für derartige Anlässe sein dürfte.
Olympia verbindet. Seine Ideale wie Freundschaft und Verständigung sind auch in der heutigen schnelllebigen Zeit keine abgegriffenen Floskeln. Das Vierländertreffen in Hellendorf mit der abschließenden Tausch-Veranstaltung am Sonntag, der gemütliche Abend und das gemeinsame Mittagessen in Petrovice brachten einander in vielen Gesprächen näher. Bob Farley aus Großbritannien, Präsident der IMOS-Partnerorganisation Society of Olympic Collectors, war am Sonnabendabend besonders von den tschechischen Sammlern umlagert. Er hatte einiges an Briefen und Karten mit den britischen Briefmarken-Ausgaben zu den Olympischen Spielen 2012 in London mitgebracht. Das Material war schnell vergriffen, Bob notierte eifrig Nachbestellungen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass Olympia auch in der Gegenwart eine hohe Anziehungskraft genießt – das Feuer brennt weiter.
Download des Berichts von Rüdiger Fritz mit Bildern als PDF-Datei (IMOS-Journal 152 / Nov. 2011)
Vor 75 Jahren… (Auszüge des Beitrags von Peter Osuský / Bratislava)
.. kam zu uns, in unsere vormalig gemeinsame tschechoslowakische Heimat zum ersten (und bislang zum letzten) Male das olympische Feuer. Auf dem Wege vom griechischen Olympia nach Berlin machte das Feuer einen Stopp im hussitischen Tabor und in Prag, und am 31. Juli war Petersdorf (Petrovice) die letzte passierte Ortschaft auf unserem Staatsterritorium. Um 11:45 Uhr wurde in Hellendorf Deutschland erreicht.
75 Jahre später haben wir, wenn auch nicht gerade im Laufschritt, mit deutschen und tschechischen Freunden gleichfalls Hellendorf erreicht. Wenn ich sage „wir“, dann rede ich in diesem Fall über Bob Farley und mich selbst. Wir waren eigentlich Gäste aus der Ferne. Als IMOS-, SOC- und OLYMPSPORT-Auslandsmitglied habe ich mich aber wie zu Hause gefühlt. Es war ein feines Treffen von alten (und ehrlich gesagt zugleich, wenn auch nur ganz unwesentlich, alternden) Freunden.
Philatelie und eigentlich Sammeln als Hobby (abgesehen von Pilzen) haben eigentlich mit dem Wetter draußen nur wenig zu tun. Wind (und Luftzug) ist ein Feind des eifrigen Philatelisten, Gummi von Marken und Blöcken und die Tinte vor raren Autogrammen der Sport-Stars anno dazumal verträgt sich nicht mit Regentropfen.
Beides haben wir in den zwei Tagen hautnah erlebt, zum Glück waren Marken und Briefe gut aufgehoben in der „Alten Schule“. Über dem Eingangstor von dieser stand in Stein gemeißelt die alte Weisheit, dass wir nicht der Schule wegen, sondern fürs Leben lernen. Was ich, unter anderem, in Hellendorf gelernt habe war, dass es gute Idee gewesen wäre, einen Regenschirm mitzubringen. Außer sehr interessanten Präsentationen, über die noch zu sprechen ist, und einer halbtägigen „Tauschstunde“ haben wir nämlich auch an einer improvisierten Feierstunde beim Denkmal für das Olympische Feuer teilgenommen.
Das besuchte Denkmal hat eine interessante Geschichte. Errichtet wurde es, da wundere ich mich, von den kommunistischen Behörden im Jahre 1957. ….
Der Steinmetzmeister Weinrich war bei uns zu Gast, doch auch er war nicht im Stande den Textfehler auf dem Denkmal zu erklären. Dort steht nämlich „auf ihrem Wege v. Athen n. Berlin“. Apropos Autor des Denkmals: Er ist sehr gut beisammen, wie auch sein, samt Textfehler, im Jahre 2004 renoviertes Werk. Damals war Europa nicht mehr geteilt und Tschechien, jetzt allerdings ohne die Slowakei, wurde damals Mitglied der EU.
Athen war nur ein „Etappenort“ auf dem Wege von Olympia (via Korint) nach Berlin. Die Städte und Orte sind in etlichen Fällen philatelistisch gut belegbar (siehe u. a. die zweite Seite des Sonderheft-Umschlags) und der neue Olympsport – Sonderstempel zeigt die Orte auf der CSR – Route des olympischen Feuers. Was ich dank des erwähnten Sonderheftes neu dazugelernt habe ist die Geschichte des olympischen Feuers auf dem Wege von Berlin nach Kiel.
Noch bevor das Treffen richtig losging, wurde mir von der IMOS ein Umschlag ab Berggießhübel nach Bratislava gesandt (in Hellendorf, heutzutage ohne eigene Postfiliale, war es unmöglich – sogar die Eier waren in Hellendorf ausverkauft, wie ich an der Eingangstür von einem Gebäude – das auch auf der berühmten Ansichtskarte zu sehen ist – lesen konnte). Auf dem Umschlag: zwei echte Regentropfen als Prüfers Signum. Echt gelaufen.
Was kann man davon lernen? Benützen sie kein Schreibgerät mit wasserlöslicher Tinte, wenn Sie im Regen zur Poststelle eilen werden. Doch – in diesem Fall ist es ein Erinnerungsstück 1. Klasse. Und eine meteorologische Dokumentation des von den deutschen Freunden gut organisierten Treffens dazu.
Das schon erwähnte Sonderheft enthielt interessante Informationen, Kernstück von diesen war die über den Fackellauf von Olympia nach Österreich, die uns dann Thomas Lippert in einer Präsentation vorgetragen hat.
…
In der anschließenden Diskussion wurde u.a. über die Herkunft des geheimnisvollen Cachets „Fackellauf durch die Čechoslowakei“ gesprochen, auch über die Schnelligkeit des Fotografen wurde diskutiert – angesichts der Stunden-Angabe im Hellendorfer „Tages-Sonderstempel“, der auf Fackellauf-Postkarten vorliegt. Auch ein Arbeitstier hätte das wohl nicht geschafft.
Stargast des Treffens sollte eigentlich Dr. Karl Lennartz sein, der bedeutende Sporthistoriker. Da er erkrankte haben die IMOS-Freunde einen Ersatz gesucht. Derjenige, den sie fanden, war alles andere als ein Ersatzmann. Im Zusammenhang mit Volker Kluge das Wort „Ersatzmann“ zu benutzen wäre eine Frechheit. Der kluge Mann ist Autor von vielen sport-geschichtlichen Publikationen, und sein Opus magnum „Olympische Spiele“ in 5 Bänden ( ein wahres Fundamentalwerk mit Daten, Fakten und Ergebnissen) schmückt schon seit Jahren meine auch sonst nicht arme Olympia- und Sportbibliothek. Etliches an dort angehäuften Kenntnissen habe ich philatelistisch in meinen Exponaten benutzt und bin dem Autor für immer dankbar. Der Notizen-Apparat ist ein wahrer Quell von Wissen. Herr Kluge sprach über die Symbolik der Olympischen Spiele 1936, doch trug er auch viel Interessantes z. B. über Leni Riefenstahls „olympische“ Filme und deren Entstehung vor. Es war ein Höhepunkt des Treffens.
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Charly Biernat hat uns nach Köln zur nächsten Sammler-Börse eingeladen – wir Slowaken sind dort schon fast Stammgäste – und dazu bekam ich von ihm ein interessantes Buch über die Geschichte der Olympischen bzw. Sportbewegung in Brasilien als Präsent. Endlich ist mir klar, warum auf der brasilianischen Marke aus dem Jahre 1952 (Michel- Nr. 785/ 50 Jahre Fußballklub Fluminense ) u. a. die olympischen Ringe und das olympisches Feuer zu sehen sind. Dieser Klub bekam nämlich im Jahre 1949 den Olympischen Pokal – für Verdienste um den brasilianischen Olympismus.
Der große Gewinn einer solchen Veranstaltung – man trifft alte Bekannte und Freunde und es bleibt Zeit zum Gedankenaustausch, der durch den Austausch von Emails nicht gleichwertig ersetzt werden kann.
Hellendorf war die Reise wert!
Grußwort von Klaus Brähmig/ MdB auf unserer Veranstaltung